Positive Unterstützung macht Kinder „Wild aufs Lernen“

Kinder, die Verhaltensauffälligkeiten aufweisen und dadurch den Unterricht stören, befinden sich häufig in einem Teufelskreis: Sie werden oft zurechtgewiesen und erfahren immer wieder negative Konsequenzen. Das hat zum Teil zur Folge, dass sie im Unterricht nicht mitkommen oder sozial ausgegrenzt werden. Ein Projekt eines Forscherteams der Pädagogischen Hochschule (PH) Heidelberg steuert mit einem positiven Ansatz dagegen. Die Dietmar Hopp Stiftung hat „Wild aufs Lernen“ mit 130.000 Euro unterstützt.

Ziel des Projekts, das Dr. Lysett Babocsai gemeinsam mit Prof. Dr. Cornelia Glaser und Dr. Robert Vrban durchgeführt hat, war, Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten in den Bereichen Lernen, Selbstregulation und Sozialkompetenzen zu fördern. Ein Mentorenprogramm sollte aufgebaut, implementiert und wissenschaftlich begleitet werden.

Entstanden ist das Pilotprojekt aus dem Intensivtherapieprogramm am Zentrum für Psychologische Psychotherapie der Universität Heidelberg (ZPP) für Kinder mit ADHS, das die Dietmar Hopp Stiftung bereits in den Jahren 2014 bis 2018 gefördert hat. Es zeigte gute Erfolge mit einem therapeutischen Ansatz, durch den Kinder mit ADHS Lernstrategien, Selbstregulationsfertigkeiten und Sozialkompetenzen erlernten. Dabei stellte sich heraus, dass für langfristige Erfolge eine Sensibilisierung in den Schulen und eine entsprechende Unterrichtsbegleitung von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten sinnvoll sein könnten.

„Im Schulalltag bleibt meist wenig Zeit für individuelle Förderung. Kinder, die störend auffallen, werden oft ermahnt oder aus dem Klassenzimmer geschickt, was für sie eine Ausgrenzung darstellen kann“, erläutert Projektleiterin Dr. Lysett Babocsai. „Wild aufs Lernen“ hingegen wechsele die Perspektive: „Wir verändern den Blick auf das Kind, statt nur das Kind verändern zu wollen. Statt negative Rückmeldungen zu geben, konzentrieren wir uns auf die positiven Eigenschaften der Kinder, stärken ihre Kompetenzen und fördern dadurch ihr Selbstwertgefühl“, sagt die Psychologin. Um das zu erreichen, müssen die Betreuer allerdings im effektiven Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten geschult sein.

Lehramtsstudierende der PH Heidelberg wurden im Rahmen von „Wild aufs Lernen“ zu Mentoren und Mentorinnen ausgebildet, die jeweils drei Monate lang für neun Stunden in der Woche Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten im Grundschulalltag begleitet haben. Hierfür haben die Studierenden eine spezielle Schulung in positiven Grundprinzipien für den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten sowie in Verstärkerstrategien zur Verhaltensänderung erhalten. In den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 haben insgesamt 28 Grundschulkinder von dem Pilotprojekt profitiert. Sie haben Verhaltensgrundlagen erlernt, die sie künftig selbstständig anwenden können. „Die Mentoren legen nur den Grundstein, sie leisten quasi Hilfe zur Selbsthilfe“, erläutert Dr. Lysett Babocsai, die sich über den großen Zuspruch zu ihrem Projekt freut: „Das Interesse, sich an der Studie zu beteiligen, war unter Schulen und Studierenden größer als gedacht. Ursprünglich hatten wir mit sechs Mentoren an zwei Pilotschulen geplant, aber das Interesse war schnell so groß, dass sich bald schon über 20 Studierende fortgebildet hatten und mehrere Schulen teilnehmen konnten.“

Auch bei der Dietmar Hopp Stiftung freut man sich über den Erfolg des Projekts: „Kinder und gleiche Bildungschancen für alle Kinder sind uns wichtige Anliegen. Deshalb haben wir Wild aufs Lernen gern unterstützt“, unterstreicht Referentin Carina Friedrich. Außerdem: „Uns ist immer auch wichtig, dass Projekte möglichst nachhaltig wirken.“ Und das ist bei „Wild aufs Lernen“ der Fall: Im August 2020 wurde ein Verein gegründet, der die Implementierung des Programms und einen langfristigen Ausbau des Unterstützungsangebotes möglich machen soll. Der Verein Focusschool e. V. plant, als eigener Jugendhilfeträger eine Schulbegleitung anbieten zu können, so dass künftig noch viele Kinder von der Studie profitieren.