„Man kann alles schaffen“: Das Stipendiaten-Programm der START-Stiftung

Bananen oder Äpfel, Hähnchen oder Rindersteak, E-Reader oder gedrucktes Buch? Das sind nur einige der Fragen, die sich 18 Stipendiatinnen und Stipendiaten der START-Stiftung bei ihrem Besuch der Klima Arena in Sinsheim stellen. Eine von ihnen ist Nadda, die seit drei Jahren von der Förderung durch die START-Stiftung profitiert. „Ich wusste erst gar nicht so genau, was mich erwartet“, berichtet die 17jährige, die die Erfahrungen, die sie in den letzten Jahren gemacht hat, aber auf keinen Fall missen möchte.

Die START-Stiftung fördert bundesweit Jugendliche mit Migrationsbezug, die sich gesellschaftlich engagieren möchten. Bewerben können sich Jungen und Mädchen, die mindestens 14 Jahre alt sind, mindestens die neunte Klasse einer weiterführenden oder berufsbildenden Schule in Deutschland besuchen und noch drei Schuljahre vor sich haben. Nadda besucht die zwölfte Klasse eines Mannheimer Gymnasiums, das Abitur steht kurz bevor. Ihr Deutschlehrer habe sie vor drei Jahren ermuntert, sich um ein Stipendium zu bewerben. „Ich hatte Lust, außerschulisch etwas zu tun“, sagt die gebürtige Mannheimerin mit sudanesischem Vater. „Erst hatte ich etwas Bedenken, dass die Seminare, die man bei START besucht, ein bisschen wie Schule sein könnten, aber eher das Gegenteil ist der Fall. Hier werden Themen behandelt, die in der Schule gar nicht vorkommen“, erzählt Nadda begeistert. Dafür habe sich auch das aufwändige Bewerbungsverfahren mit Test, Motivationsschreiben und Bewerbungsgesprächen gelohnt. „Ich wollte auch ein bisschen herausfinden, ob ich das schaffe, und bei so vielen Bewerbern ist es wirklich etwas Besonderes, ausgewählt zu werden“, sagt sie stolz.

Tatsächlich fördert die START-Stiftung jährlich bundesweit 180 neue Stipendiatinnen und Stipendiaten, bis zu 15 davon aus Baden-Württemberg, bestätigt Jeannette Rau, Landeskoordinatorin Baden-Württemberg bei der START-Stiftung. Es gebe ein Vielfaches an Bewerbern, so dass nur rund zehn Prozent der Bewerberinnen und Bewerber berücksichtig werden können. Entscheidend für die Auswahl sind nicht die schulischen Leistungen oder die Schulform, sondern vielmehr die Persönlichkeit, Werte und Haltung der Jugendlichen. START gibt den Stipendiatinnen und Stipendiaten die Chance, selbstorganisiertes Lernen und neue Kooperations- und Kommunikationsformen auszuprobieren, Gleichgesinnte kennenzulernen und sich in verschiedenen persönlichkeitsbildenden und gesellschaftlichen Themen fortzubilden. Hierfür werden regionale und überregionale Seminare und Workshops angeboten, einige sind verpflichtend, viele freiwillig.

Nadda hat in den letzten drei Jahren zahlreiche Angebote der Stiftung genutzt, darunter Seminare zu Themen wie Überzeugungskraft, Zukunftsgestaltung oder Friedensbildung. Besonders gut hat ihr ein Rassismus-Workshop gefallen. Das Thema Rassismus liegt ihr besonders am Herzen. Ein Austausch mit Politikern mit Migrationshintergrund hat sie sehr beeindruckt und inspiriert, sich an ihrer Schule gegen Rassismus einzusetzen. „Dabei treffe ich immer wieder auf Menschen, die mitmachen und etwas bewegen wollen, das gibt mir auch viel Motivation“, freut sich die Gymnasiastin, die mittlerweile Schulsprecherin ist. Dass sie sich überhaupt getraut hat, für die Wahl zu kandidieren, schreibt sie auch dem Stipendium der START-Stiftung zu. In Workshops und vor allem in einem Sommercamp mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus ganz Deutschland habe sie sich selbst ganz neu erlebt, sei aus sich heraus und auf andere Menschen zugegangen. Sie habe durch Begegnungen, die über das eigene private und schulische Umfeld hinaus gehen, einen anderen Blickwinkel aufs Leben bekommen, sei offener für neue Leute und neue Orte geworden und habe ihre Schüchternheit zum Teil überwunden. „Bei den START-Veranstaltungen wird keiner beurteilt oder vorverurteilt, wir akzeptieren und respektieren uns, obwohl wir verschieden sind“, hebt die Abiturientin hervor.

Wie groß der Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn unter den Stipendiatinnen und Stipendiaten ist, zeigt sich auch beim Treffen von Jugendlichen aus Baden-Württemberg und Bayern im Frühjahr 2023 in der Klima Arena: Es herrscht ein großes Hallo, es gibt Umarmungen zur Begrüßung, Neuigkeiten werden ausgetauscht, bevor man sich auf eine Rallye begibt, um zu erfahren, was jeder und jede Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann. – Längst sind unter den Geförderten persönliche Bindungen und Freundschaften entstanden, die weit über START hinausgehen. Ein Grund dafür sei der gemeinsame Migrationshintergrund, ist sich Nadda sicher: „Wir haben alle ähnliche Erfahrungen gesammelt, hier fühlt man sich als Teil der Gruppe verstanden.“

Die Stipendiaten kennen sich zum Teil aus vergangenen Workshops und Veranstaltungen der START-Stiftung, das Reisen durch die Republik ist dabei für sie zur Selbstverständlichkeit geworden. – Ein Punkt, der unter anderem Naddas Eltern zunächst skeptisch machte, hatten sie doch Sorge, ihre damals 14jährige Tochter zu den Seminaren in der Region und weit darüber hinaus allein reisen zu lassen. – Eine Erfahrung, deren Mehrwert sie mittlerweile ebenso anerkennen wie Jeannette Rau: „Allein zu reisen, trägt auch zur Persönlichkeitsbildung bei.“ Neben gemeinsamen Workshops oder Sommercamps profitieren die Stipendiatinnen und Stipendiaten auch im Alltag von der Förderung der START-Stiftung: Zum einen erhalten die Geförderten pro Jahr insgesamt 1.000 Euro, die sie für bildungsrelevante Zwecke ausgeben können. Nadda hat die Unterstützung bisher zum Beispiel für Ausgaben für die Studienfahrt und für Bücher genutzt.

Darüber hinaus unterstützt die START-Stiftung ihre Stipendiatinnen und Stipendiaten ideell, indem etwa Ideen begleitet werden, damit sie zu Projekten oder gar Vereinsgründungen heranreifen können. „Neben der Gestaltung des regionalen Bildungsprogramms und der Etablierung von START in Baden-Württemberg ist es meine Aufgabe, die Beziehung zu den Jugendlichen zu stärken, ihnen Kraft zu geben und Mut zu machen“, beschreibt Koordinatorin Jeannette Rau. Im regelmäßigen Austausch sowie in Halbjahresberichten könne sie erkennen, wo gegebenenfalls Gesprächsbedarf besteht, wer vor besonderen schulischen oder persönlichen Herausforderungen steht. Ihr Arbeitstag werde durch die „Machermentalität“ der Stipendiatinnen und Stipendiaten bereichert. Häufig entstünden Ideen und Projekte aus Bildungsangeboten der START-Stiftung. Nadda hat aus ihren Begegnungen im Rahmen des Stipendiats Ideen entwickelt und viele kleine Projekte in ihrer Schule verwirklicht, hat nicht nur Fragen des Rassismus thematisiert, sondern zum Beispiel auch Kuchenverkäufe zugunsten von Erdbebenofpern organisiert.

Wohin sie ihr Weg langfristig führen wird, hat Nadda noch nicht entschieden. Zunächst will sie sich nach dem Abitur in einem Freiwilligen Sozialen Jahr engagieren. Als Kind hatte sie sich vorgestellt, Lehramt zu studieren, dabei wird es vermutlich nicht bleiben: „Wenn man einen Migrationsbezug hat, wird einem oft suggeriert ‚du schaffst das nicht‘, bei START habe ich gelernt, dass man alles schaffen kann. Ich habe größere Träume, möchte vielleicht etwas in Richtung Wirtschaft oder Psychologie studieren und kann mir später sogar eine Führungsposition vorstellen“, sagt sie. Wohin auch immer der Weg sie führt, eins ist sicher: „Ich möchte in meinem Beruf für meine Meinung einstehen und Werte vertreten.“

Damit noch viele Jugendliche wie Nadda profitieren können, unterstützt die Dietmar Hopp Stiftung die START-Stiftung seit dem Schuljahr 2022/23 für drei Jahre mit insgesamt 133.000 Euro für Stipendien für Jugendliche aus der Metropolregion Rhein-Neckar.

Weitere Informationen unter www.start-stiftung.de

Stand: März 2023