Schnell zur optimalen Therapie: Kliniknetzwerk verbessert Schlaganfall-Versorgung in der Region

„Time is brain“ – nach einem Schlaganfall zählt jede Sekunde bis zur Therapie, denn je schneller behandelt wird, um so besser stehen die Chancen, schwere Gehirnschäden zu vermeiden, die zu starken körperlichen Einschränkungen oder sogar zum Tod führen können. Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss so schnell wie möglich der Rettungsdienst (112) alarmiert werden, damit Betroffene schnellstmöglich in ein Krankenhaus gebracht werden können, das über eine spezielle Schlaganfallstation, eine so genannte Stroke Unit, verfügt. Damit Patientinnen und Patienten die für sie individuell richtige Behandlung zuteilwird, wurde 2017 unter Federführung der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg und mit Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung das Schlaganfallkonsortium Rhein-Neckar (FAST) gegründet.

Volkskrankheit Schlaganfall: Jährlich erleiden in Deutschland eine Viertelmillion Menschen einen Schlaganfall. Er ist die häufigste Ursache erworbener Behinderungen im Erwachsenenalter. Erleidet man einen akuten Schlaganfall, sind vor allem zwei Therapien erfolgversprechend:

Viele Patienten werden mit einer Thrombolysetherapie behandelt, bei der das Gerinnsel, das den Schlaganfall verursacht hat, medikamentös aufgelöst werden soll. Wenn so eine medikamentöse Therapie nicht möglich ist oder größere Gefäße verschlossen sind, kann in bestimmten Fällen eine Thrombektomie zum Einsatz kommen, bei der das Blutgerinnsel mit Hilfe eines Katheters aus dem Blutgefäß entfernt wird. Beide Verfahren müssen schnellstmöglich eingeleitet werden, um ein bestmögliches Behandlungsergebnis zu erzielen, denn je länger eine Gehirnregion von der Blutversorgung abgeschnitten ist, desto größer und irreversibler sind die Schäden. Während die Thrombolyse an allen Stroke Units durchgeführt werden kann, wird die Thrombektomie nur an spezialisierten Schlaganfallzentren in meist größeren Kliniken durchgeführt, die u.a. über eine Neuroradiologie verfügen.

Ziel des Schlaganfallkonsortiums FAST ist es, Patienten, die von einer Thrombektomie profitieren können, früh zu identifizieren, um sie schnell in ein entsprechendes Zentrum zu verlegen. Unter Federführung der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg sind mehr als 30 Partnerzentren der Region sowie Rettungsdienste vernetzt, um in der Schlaganfall-Versorgung Hand in Hand zu arbeiten. Das Einzugsgebiet des Netzwerks reicht von Bad Kreuznach im Norden bis Rastatt im Süden, von Öhringen im Osten bis Ludwigshafen im Westen.

Rettungsdienste, die in der Einschätzung eines Schlaganfalls speziell geschult werden, berücksichtigen bei der Auswahl des Krankenhauses u.a. die Entfernung zum nächsten Krankenhaus, aber auch den Schweregrad des Schlaganfalls sowie die dafür benötige Ausstattung der Klinik. Patienten mit schweren Schlaganfällen können so ohne Umwege ins nächstgrößere Zentrum gelangen und profitieren von den dortigen Behandlungsmöglichkeiten. Nach der Behandlung werden die Patienten so bald wie möglich wieder zurück in ein heimatnahes Krankenhaus verlegt. Einheitliche Standards gewährleisten außerdem auch in kleinen Häusern eine konstant hohe Behandlungsqualität.

„Die konsequente Vernetzung mit allen Beteiligten in der Gesundheitsversorgung ist essenziell für die optimale und flächendeckende Betreuung von Schlaganfall-Patienten. Durch die optimierten Abläufe im Netzwerk kann Zeit gespart werden, wenn Patienten mit schweren Schlaganfällen in ein spezialisiertes Zentrum verlegt werden müssen“, betont Prof. Dr. Martin Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroradiologie, der mit seinem Team die Thrombektomien durchführt und das bildgebende Netzwerk verantwortet.

Um Versorgungsstrukturen zu etablieren, die eine bestmögliche Akutversorgung von Schlaganfallpatienten sichern, wurden zunächst eine Koordinationsstelle unter Leitung von Prof. Dr. Wolfang Wick, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik, und Prof. Bendszus am Universitätsklinikum Heidelberg sowie eine einheitliche und funktionale IT-Struktur etabliert und optimiert, um via Teleneuroradiologie eine möglichst schnelle Übertragung von behandlungsrelevanten Daten aus CT und MRT für eine gemeinsame Therapieentscheidung zu ermöglichen. Außerdem spielt die strukturierte und kontinuierliche Weiterbildung des Fachpersonals der Kliniken und Rettungsdienste eine zentrale Rolle.

Darüber hinaus leistet das Netzwerk Öffentlichkeitsarbeit, um die neuen Möglichkeiten der Behandlung, aber auch der Vorbeugung publik zu machen. „Die besten Behandlungsmöglichkeiten im Krankenhaus können nur dann optimal greifen, wenn die Betroffenen uns rechtzeitig erreichen. Dafür müssen sie und ihre Angehörigen die Zeichen eines Schlaganfalls erkennen können“, betont Professor Wick, der alle Heidelberger Schlaganfallpatientinnen und -patienten sowie die Patientinnen und Patienten des teleneurologischen Netzwerks FAST TeleNeT versorgt. „Hängender Mundwinkel? Ein Arm oder ein Bein kann nicht bewegt werden? Verwaschene Sprache oder Wortfindungsstörungen? Rufen Sie sofort die 112 an“, so der Experte. Zur schnellen Erkennung von plötzlich auftretenden Symptomen, die auf einen Schlaganfall hindeuteten könnten, kann der sogenannte FAST Test (Face, Arms, Speech, Time) gemacht werden.

Eine Zwischenauswertung der FAST Registerstudie zeigte zudem, dass die unmittelbare Verfügbarkeit der Thrombektomie im Netzwerk dazu führt, dass sie zunehmend durchgeführt wird. Das bedeutet unter anderem, dass mehr Patienten, die von einer Thrombektomie profitieren würden, nun auch Zugang zu solch einer Behandlung haben. Die Studie bestätigt die hohe Versorgungsqualität im regionalen Netzwerk.

„Wir freuen uns, dass die Etablierung des Schlaganfallkonsortiums Rhein-Neckar zu einer deutlichen Verbesserung der Routinen in der Patientenversorgung in der Region beiträgt. Ziel der Etablierung des Netzwerkes ist es, dass auch den Patienten, die außerhalb des unmittelbaren Einzugsgebietes großer Kliniken einen Schlaganfall erleiden, eine schnelle und optimale Versorgung zur Verfügung steht, so dass der Wohnort in Zukunft nicht mehr über die Überlebenschancen entscheidet“, erklärt Dr. Jennifer Fischer, Referentin Medizin bei der Dietmar Hopp Stiftung, die die Einrichtung des Netzwerks mit 830.000 Euro unterstützt hat.

Stand: August 2021