Das ist ein guter Ort

„Grüß Gott“ – mit diesen Worten betritt Dr. Hans Günter Boldt das Zimmer von Eleonore Hubbard im Hospiz Agape in Wiesloch. Diese Begrüßungsformel wählt er ganz bewusst, kann sie doch schon ein Türöffner für ein Gespräch sein, zum Beispiel darüber, dass er aus Nürnberg stammt.

Boldt ist ehrenamtlicher Hospizbegleiter und besucht einmal in der Woche an einem Vormittag Gäste in der Wieslocher Einrichtung, die auch Dank einer Spende der Dietmar Hopp Stiftung in Höhe von knapp sieben Millionen Euro vor 15 Jahren errichtet werden konnte. Seine Besuche weiß auch Eleonore Hubbard zu schätzen. Über gemeinsame Gespräche freut sie sich ebenso wie über eine gelegentliche Handmassage. Am meisten gefällt ihr allerdings, dass sie häufig zusammen Musik hören: „Wir haben festgestellt, dass wir beide die Johannespassion von Bach sehr mögen“, erklärt die 84jährige, die lange in einem Chor gesungen hat. Seitdem bringt Hans Günter Boldt regelmäßig einen tragbaren Lautsprecher mit, um gemeinsam klassische Musik zu hören. Das könne sie zwar auch über ihr Tablet tun, „aber da ist die Tonqualität längst nicht so gut“, so Hubbard. Sie ist an Leukämie erkrankt, hat die Behandlung in Freiburg aufgrund erheblicher Nebenwirkungen und Infektionen aber abgebrochen. „Das war keine Lebensqualität, so wollte ich nicht leben“, sagt sie.

Zunächst hat Eleonore Hubbard sich nach ihrem Krankenhausaufenthalt an ihrem damaligen Wohnort um einen Pflegeplatz bemüht, aber keinen gefunden. „Zum Glück“, schmunzelt sie, denn: „Sonst wäre ich heute nicht hier.“ Auf das Wieslocher Hospiz ist sie durch ihre Schwester aufmerksam geworden, die in Bruchsal lebt und sie in der Nähe wissen wollte. Der Sozialdienst des Freiburger Krankenhauses habe sich dann um einen Platz gekümmert. Und dann geschah das „Wunder“: Schon am Tag nach ihrem Einzug sei es ihr viel besser gegangen, nach langer Zeit konnte sie zum Beispiel wieder frühstücken, macht außerdem so oft wie möglich einen kleinen Spaziergang in der Umgebung. „Als ich hierherkam, hatte ich mich damit abgefunden, nicht mehr lange zu leben. Und nun bin ich schon ein halbes Jahr hier“, erklärt sie. Dass sie sich so gut erholt hat, hat sie auch dem Arzt zu verdanken, der die Hospiz-Gäste betreut. Der Palliativmediziner habe sie „perfekt eingestellt“. Zwar bekomme sie zahlreiche Medikamente, habe aber keine Schmerzen oder Nebenwirkungen. „Ich kann es selbst kaum fassen, wie gut ich mich hier erholt habe“, sagt die begeisterte Leserin und Briefeschreiberin.

„Dass jemand über einen so langen Zeitraum bei uns ist, ist nicht die Regel, kann aber vorkommen“, erklärt Hospiz-Leiterin Kirsten Karran. Sie trägt mit 25 Pflegepersonen sowie verschiedenen Therapeuten Sorge dafür, dass unheilbar erkrankte Menschen die letzte Zeit vor dem Sterben würdevoll, ohne Schmerzen und in Geborgenheit verleben können. Dazu bietet das multiprofessionelle Team bis zu acht Gästen palliativmedizinische und -pflegerische Versorgung und Beratung. Neben der unabdingbaren schmerztherapeutischen Behandlung gibt es Angebote wie zum Beispiel Aromapflege, Kunst- und Musiktherapie, die das Wohlbefinden steigern können.

Für das Wohlbefinden der Gäste spielt auch die Atmosphäre im Haus Agape eine zentrale Rolle. „Hier habe ich gleich am ersten Morgen das Personal lachen gehört. Das hat gutgetan“, erinnert sich Eleonore Hubbard. Zweimal in der Woche besucht sie ein Physiotherapeut, außerdem spielt sie hin und wieder Rummikub mit Mitarbeitenden nach deren Feierabend, manchmal gesellen sich auch andere Gäste dazu. „Bezaubernd“ sei darüber hinaus ein Besuch von Klinik-Clowns gewesen und ein außergewöhnlicher Besuch von Alpakas habe ihr auch viel Spaß gemacht. – Und dann sind da noch Besuche von ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleitern wie Dr. Boldt.

Seit dreieinhalb Jahren kommt der 66jährige regelmäßig ins Hospiz. „Ich will versuchen, den Gästen eine Freude zu bereiten“, sagt er über seine Motivation. Manchmal reiche dafür schon ein Gespräch oder auch das gemeinsame Schweigen. Eleonore Hubbard freut sich an diesem Tag etwa über einen Ausflug mit ihm in den nahegelegenen Stadtwald. Außerdem kochen der promovierte Chemiker und einige weitere ehrenamtliche Hospizbegleiter regelmäßig am Wochenende für die Gäste, eine Ehrenamtskollegin sorgt mit liebevoll gestaltetem Blumenschmuck jede Woche für ein schönes Ambiente im Hospiz Agape. Bei allem, was die ehrenamtlichen Helfer tun, stehen die Bedürfnisse der Gäste im Mittelpunkt. Im Hospiz geht es darum, die verbleibende Zeit angenehm zu gestalten. Ein Hospiz sei „ein guter Ort“, betont der Ehrenamtler.

Voraussetzung für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Hospizbegleiter ist ein Qualifizierungskurs: In 120 Unterrichtseinheiten geht es bei der Ausbildung, die den Richtlinien des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes entspricht, unter anderem um Selbstreflexion, Reflexion der Helferrolle, Wahrnehmung und Kommunikation sowie Spiritualität und Trauer. Darüber hinaus erfahren die Teilnehmenden etwas über Themen wie zum Beispiel Hygiene, Pflege, Patientenverfügung, Palliative Care, Aromaöle und Supervision. Hinzu kommen insgesamt 40 Stunden Praktikum im Hospiz, in einer Pflegeeinrichtung und bei einem ambulanten Pflegedienst. „Das war eine gute Vorbereitung für die Tätigkeit“, unterstreicht Boldt.

Über 1.000 ehrenamtliche Hospizbegleiter engagieren sich in der Metropolregion Rhein-Neckar, 12 davon im Hospiz Agape in Wiesloch. Um sie zu würdigen und die ehrenamtliche Hospizarbeit zu fördern, hat die Dietmar Hopp Stiftung im Rahmen der Förderaktion „Starke Weggefährten“ zwischen 2011 und 2013 Gutscheine im Gesamtwert von 500.000 Euro für Weiterbildung und Supervision gespendet. 39 ambulante und stationäre Hospize haben davon profitiert.

Der Hospizgedanke ist im Tun der Dietmar Hopp Stiftung fest verankert. Das zeigt die vielfältige Fördertätigkeit auf diesem Gebiet. So hat die Stiftung nicht nur die Errichtung des Hospizes Agape möglich gemacht, sondern durch die Förderung unter anderem des Hospizvereins Bergstraße, des Hospizes St. Vincent in Mannheim, des Hospizes Louise in Heidelberg, des Ambulanten Hospizdienstes Elsenztal oder des Kinderhospizes Sterntaler in Dudenhofen einen Beitrag dazu geleistet, die wichtige Arbeit im Haupt- und Ehrenamt zu unterstützen und das sensible Thema in der Gesellschaft zu verankern.

Da die Krankenkassen nur 95 Prozent der Kosten eines Hospizaufenthaltes finanzieren, sind die Einrichtungen auf Spenden angewiesen. Das weiß auch Eleonore Hubbard, die nicht nur selbst eine Spende geleistet hat, sondern auch Freunde und Verwandte dazu animiert hat. Sie hofft, dass sie viele Nachahmer findet, damit auch andere so vom Leben im Hospiz profitieren können wie sie.

Stand: Juli 2023