TUMO: Mehr als nur ein "cooler Ort"

Mannheim, kurz vor 16 Uhr an einem Mittwoch im Juni: Zahlreiche junge Menschen strömen gut gelaunt und angeregt plaudernd aus allen Richtungen durch die sonst eher beschaulichen Wohnstraßen zum MAFINEX Technologiezentrum. Zwei von ihnen sind Shayan und Rokas.

Zweimal in der Woche kommen die beiden Teenager für jeweils zwei Stunden in ihrer Freizeit ins TUMO-Bildungszentrum im MAFINEX-Komplex. Dort lernen sie zusammen mit anderen Jugendlichen mit Hilfe modernster Technik digitale Arbeitsweisen kennen und haben die Möglichkeit, sich spielerisch Zukunftskompetenzen anzueignen.

TUMO ist ein digitales Lernkonzept, das Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren auf innovative Weise an Technologien der Zukunft heranführt. Dadurch lernen sie, mit Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in Gesellschaft und Arbeitswelt umzugehen. Die Idee für TUMO stammt aus Armenien, wo sich das Konzept bereits in vier Zentren bewährt. In Deutschland ist Mannheim der zweite Standort eines TUMO-Zentrums nach Berlin, angesiedelt in eigens dafür umgebauten und gestalteten Räumen im MAFINEX Technologiezentrum auf dem Lindenhof. Sie umfassen modernste Computerarbeitsplätze und Laptops sowie ein professionell ausgestattetes Tonstudio in einem kreativen Umfeld. So können die Teenager beispielsweise zwischen festen PC-Arbeitsplätzen oder mobilem Arbeiten auf dem Sitzsack oder einem der TUMO-Mobile wählen. Letztere sind eigens für TUMO angefertigte Stühle mit Rollen, mit denen man sich beliebig im Raum bewegen kann: Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.

Da macht das ohnehin freiwillige Lernen noch mehr Spaß: Auch Shayan und Rokas betonen, dass ihnen die „coole Umgebung“ im TUMO-Zentrum besonders gut gefällt. Die beiden sind zwei von momentan knapp 200 Jugendlichen, die das kostenfreie außerschulische Lernangebot nutzen, und gehören zu den TUMO-Teilnehmern der ersten Stunde. Sie sind seit Frühjahr 2024 dabei und befinden sich in der begleiteten Selbstlernphase, in der sie eine gewisse Anzahl von Aufgaben in einem der Lernfelder lösen, die sie sich ausgesucht haben. Zur Auswahl stehen Robotik, Programmierung, 3D-Modeling, Spieleentwicklung, Fotografie, Grafikdesign, Video- und Musikproduktion. Vier davon wählen die Jugendlichen aus, und lernen sie zunächst in den Selbstlernphasen, später in vertiefenden Workshops kennen. Der so genannte TUMO-Path in der Lernsoftware zeigt ihnen an, wo sie in der Lernentwicklung stehen, welche Aufgaben noch offen sind und wann welche Workshops starten.

Der 18jährige Shayan hat sich für Film, 3D-Modeling, Spieleentwicklung und Programmierung entschieden. Dabei ist er seinen Interessen gefolgt, denkt aber auch praktisch: Das 3D-Modeling kann er auch in der Schule gut brauchen, Programmierung könnte mit Blick auf das angestrebte Studium der Wirtschaftsinformatik hilfreich sein. Gerade hat er eine Aufgabe im Bereich Film bearbeitet: Zunächst hat ihm die Software erklärt, wie ein Film entsteht, nun muss er in verschiedenen Aufgaben zeigen, dass er die Erläuterungen auch umsetzen kann. Bei Fragen stehen ihm und den anderen Teilnehmenden Coaches zur Verfügung. Um sich zu qualifizieren, mussten sie sich Wissen in den Themen der Lernfelder aneignen und in einer Weiterbildung in Armenien die TUMO-Arbeitsweise kennenlernen.

Neben den Coaches sind bei TUMO auch Workshopleiter als Honorarkräfte beschäftigt. Sie sind Profis auf ihrem jeweiligen Gebiet, sind zum Beispiel Designerin, Spieleentwickler, Drehbuchautorin oder Informatiker, haben auch eine Qualifizierung bei TUMO in Armenien durchlaufen und vertiefen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Workshopphase ihre Kenntnisse. „Bestimmt sind die Workshops noch interessanter als die Selbstlernphase“, hofft Shayan, dessen erster Workshop zum Thema Programmierung bevorsteht. Besonders freut sich der Mannheimer, der in seiner Freizeit auch gern ins Fitnessstudio geht und Klavier spielt, auf die Zusammenarbeit mit den Profis und im Team mit anderen Jugendlichen.

Shayan ist bislang der Einzige aus seiner Schule, der bei TUMO mitmacht, aber er nutzt die Gelegenheit, im TUMO-Zentrum nicht nur neue Fähigkeiten zu erlernen, sondern auch neue Leute kennenzulernen. Zu seinen neuen Bekanntschaften zählt auch der 15jährige Rokas, der heute am Arbeitsplatz neben ihm an einem großen runden Tisch sitzt.

Rokas kennt einige TUMO-Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Sehen aus seiner Schule, findet es aber auch gut, mit anderen ins Gespräch zu kommen. „Daraus können sich auch Freundschaften entwickeln“, meint er und ergänzt: „Ich habe schon viel gelernt und weiß auf den Gebieten, die ich ausgewählt habe, jetzt auf jeden Fall mehr als vorher.“ Er hat sich aus reinem Interesse für Musikproduktion, 3D-Modeling, Spieleentwicklung und Programmierung entschieden, berufliche Pläne stecken noch nicht dahinter. Er sei zufrieden mit seiner Auswahl, sagt der Schüler, auch wenn ihm Programmierung noch etwas schwerer fällt als die anderen Lernfelder.

100 Arbeitsplätze stehen im TUMO-Zentrum insgesamt zur Verfügung und bieten bis zu 1.000 Jugendlichen Platz. Um bei TUMO mitzumachen, sind keine Vorkenntnisse nötig: Das Angebot ist für die Teilnehmenden kostenlos und richtet sich an alle Jugendlichen im entsprechenden Alter aus Mannheim und Umgebung. „Zu uns kommen Jugendliche aus allen Mannheimer Stadtteilen und wir konnten sogar schon welche aus Heidelberg, Ludwigshafen und Speyer erreichen“, betont TUMO-Leiterin Juliane Schmitt.

Getragen wird TUMO in Mannheim vom Verein Starkmacher, einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe und außerschulischen Jugendbildung. Dessen Vorsitzender Christian Röser ist nicht nur überzeugt von der TUMO-Idee, sondern auch zufrieden mit den Teilnehmerzahlen der ersten Monate: „Das Konzept von TUMO, niedrigschwellig, kostenfrei und ohne, dass Vorkenntnisse der Jugendlichen nötig sind, ein freiwilliges, innovatives und kreatives Lernangebot zu machen geht auf“, sagt er. Und noch etwas freut Rösner: „Dass unser Motto ‚TUMO für alle‘ sehr gut angenommen wird. Neben der vielfältigen geografischen Herkunft sind auch unterschiedliche Schulformen, von der Werkrealschule bis zum Gymnasium, vertreten.“

Dass TUMO „für alle“ und die Teilnahme für die Jugendlichen kostenfrei ist, wird durch die Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung in Höhe von 5,5 Millionen Euro ermöglicht, die damit einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten möchte. Weitere Unterstützerin des TUMO-Zentrums in Mannheim ist die Stadt Mannheim, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und auch deren Umbau finanziert hat. Die KfW-Bankengruppe ist strategischer Partner.

Stand: Juni 2024