"Einmal Jungadler, immer Jungadler"

Sie heißen Leon, Dennis oder Felix und haben ein gemeinsames Ziel: Eines Tages einen Profivertrag zu unterschreiben, Eishockey auf höchstem Niveau zu spielen – und bestenfalls auch Titel zu gewinnen. Geschmiedet werden Lebensläufe dieser Art im Leistungszentrum des ELZ (Eishockey-Leistungszentrum) Jungadler Mannheim e.V., das 1999 ins Leben gerufen wurde und seitdem von der Dietmar Hopp Stiftung unterstützt wird. Für Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg und Felix Brückmann ist dieser Plan aufgegangen. Die Welt titelte im März 2021: „Mannheim, die beste Kaderschmiede der Welt.“

„Einmal Jungadler, immer Jungadler. Das ist nicht einfach nur ein Spruch, sondern in der Tat so. Man bleibt für immer Teil der Familie“, sagt Felix Brückmann, der seine Ausbildung im Mannheimer Eishockey-Nachwuchs von 2006 bis 2008 genoss. „Ich habe im Leistungszentrum eine wunderschöne Zeit verbracht, viele Freunde kennengelernt und den Grundstein für meine spätere Profi-Karriere gelegt“, sagt der Torwart der Adler Mannheim und der deutschen Nationalmannschaft.

Zum Eishockey kam der in Breisach geborene, aber in Freiburg aufgewachsene Brückmann wegen seines älteren Bruders Maximilian, die Begeisterung für das Schlittschuhlaufen wollte sich jedoch zu Beginn noch nicht so recht einstellen. „Dann habe ich mich mal zwischen die Pfosten gestellt – und es hat funktioniert. Es war wie die Liebe auf den ersten Blick, und da der EHC Freiburg gerade einen Torwart für seine Jugendmannschaft suchte, nahm alles seinen Lauf.“

Es dauerte nicht lange, bis die Jungadler auf den jungen Felix aufmerksam wurden. Bei einem Feriencamp hatte er die Verantwortlichen überzeugt und bald schon flatterte die Einladung ins Haus, sich mal vor Ort in Mannheim die Trainingsmöglichkeiten anzuschauen. „Per Post“, erinnert sich Brückmann. Unterzeichnet von Helmut de Raaf, dem damaligen Jungadler-Chef. Alleine der Name der deutschen Eishockey-Torwart-Legende elektrisierte Felix Brückmann. „Ich habe mir mit meinen Eltern alles vor Ort angeschaut. Das Internat, die Infrastruktur, die Trainingsbedingungen, das alles war eine andere Welt und die Entscheidung, die ich zu treffen hatte, fällte sich von ganz allein. Ich habe praktisch noch vor Ort zugesagt.“

Brückmann war gerade mal 16, als er in das Spielerwohnheim einzog, das sich damals noch in der Friedrich-Ebert-Straße in Mannheim-Käfertal befand. „Am Anfang war es nicht ganz einfach, ich war jung und hatte Heimweh. Aber da waren fast 20 Jungs, die in derselben Situation steckten, und mit der Zeit sind sie meine zweite Familie geworden“, blickt der gestandene Profi auf „eine sensationelle Zeit zurück, die ich nicht missen möchte und in der wir viel Spaß hatten. Manchmal war es hart, doch sich gerade dann durchzubeißen, ist das, was den Schritt zu den Profis ausmacht.“

Vor seinem Wechsel nach Mannheim trainierte der talentierte Goalie drei bis vier Mal die Woche, plötzlich zwei Mal täglich. „Die Strukturen waren einmalig. Obwohl wir noch Jugendspieler waren, hatten wir Bedingungen wie die Profis. Neben dem Chef- und Co-Trainer gab es auch einen Torwarttrainer, und es ist schließlich kein Zufall, dass man heute in jedem Bundesliga-Kader mindestens einen bis zwei Jungadler trifft.“

Im Spielerwohnheim gab es für jeweils zwei Einzelzimmer einen gemeinsamen Eingang, im ersten Jahr war Michael Christ (Kassel Huskies) sein Nachbar, im zweiten Mirko Höfflin (ERC Ingolstadt). „Aber die Türen standen ohnehin immer offen, im Endeffekt war es wie ein einziger großer Gemeinschaftsraum. Und wenn wir nicht in der Schule oder auf dem Eis waren, haben wir hier Karten, Play Station oder im Hof Street Hockey gespielt. Wir haben uns hervorragend verstanden und das war mit ein Grund für unseren Erfolg.“

Als „spätgeborenes Dezember-Kind“ verbrachte Brückmann seine Jungadler-Zeit ausschließlich mit älteren Spielern. 2007 wurden sie deutscher Vizemeister, ein Jahr später Meister. Seinen letzten Schliff holte sich der Torwart anschließend beim Kooperationspartner Heilbronner Falken, wo er schließlich zum Profi reifte. „Ein Vorbild hatte ich nicht, ich habe stattdessen versucht, mir von vielen Torhütern etwas abzuschauen. Aber dadurch, dass wir oft bei den Adler-Heimspielen zuschauten, hatte es mir Robert Müller angetan“, erinnert Brückmann an den 2009 verstorbenen Schlussmann.

Brückmann besuchte wie die meisten seiner Kollegen die Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried (IGMH). „Auf die schulische Ausbildung wird bei den Jungadlern ein sehr hoher Wert gelegt, uns standen Nachhilfelehrer und Sozialpädagogen zur Verfügung. Mir war es sehr wichtig, nebenbei das Abitur zu machen und ich bin sehr stolz und glücklich, mit der entsprechenden Unterstützung Sport und Schule so gut unter einen Hute bekommen zu haben.“

2014 wechselte Brückmann nach Wolfsburg und stellte in der Saison 2016/17 einen Rekord auf, als er vier Spiele hintereinander und 315:01 Minuten ohne Gegentor blieb. Sechs Jahre später kehrte er zu den Adlern zurück. „Ich habe mich unheimlich gefreut, als das Angebot kam. Mannheim ist eine Top-Adresse in der Deutschen Eishockey-Liga und ich bin sehr froh, wieder hier spielen und Teil der Familie sein zu dürfen.“

Hin und wieder, wenn es die Umstände erlauben, schaut Brückmann bei Begegnungen der Jungadler zu. Manchmal schreiben junge Torhüter ihm, dem Profi, und haben Fragen oder wollen sich Tipps holen. „Die Jungs werden hier wie schon zu meiner Zeit mit viel Akribie und Ehrgeiz gefördert und gefordert“, bestätigt Brückmann. „Talent zu haben, ist das eine. Bei den Jungadlern kommt dann eben noch die ausgezeichnete Unterstützung dazu.“

Den einen besonderen Moment in seiner Jungadler-Zeit, die er mit anderen aktuellen Adlern wie Denis Reul, David Wolf oder Matthias Plachta teilte, sieht Brückmann rückblickend nicht. „Die zwei Jahre an sich waren ein einziges Highlight“, sagt er. „Ich bin einfach nur stolz, es geschafft zu haben.“ Denn was mit Hilfe der Dietmar Hopp Stiftung aufgebaut wurde, sei einmalig. „Viele großartige Spieler wie Leon Draisaitl, Dominik Kahun oder zuletzt Tim Stützle haben von hier den Sprung in die NHL geschafft, das ist sensationell.“

Der ELZ Jungadler Mannheim e.V. wurde 1999 gegründet. In vier Mannschaften (U13, U15, U17, U20) werden ca. 100 junge Talente von rund 15 hauptamtlichen Mitarbeitern vom Cheftrainer bis zum Nachhilfelehrer in ihrer Entwicklung unterstützt und begleitet. Aus dieser Förderung sind Stand Sommer 2021 knapp 250 Profis hevorgegangen, acht schafften es sogar in die National Hockey League (NHL). Zur Trainings-Infrastruktur der Jungadler zählen unter anderem drei Eishallen und zwei Athletikräume. Seit Einführung der Deutschen Nachwuchsliga (DNL) gewannen die Jungadler 16 von 19 ausgespielten Deutschen Meisterschaften. Hinzu kommen sechs weitere Titel in der Altersklasse U17.

Stand: Juli 2021